Stillstand durch Postengeschacher
„Die sich formierende Kooperation der Wahlverlierer aus SPD, CDU und Grünen hat einen klassischen Fehlstart hingelegt“, so die Bilanz der FDP-Stadtverordneten Oliver Löhr und Daniel Libertus sowie Stadtrat Norbert Gonter. Seit der Kommunalwahl im März seien die drei Parteien vorwiegend mit sich selbst beschäftigt, was seit nunmehr fast einem halben Jahr zu einer „Verwaltung des Stillstandes“ führe. „Außer Postengeschacher ist der Kooperation bislang nichts gelungen“, kritisieren die Liberalen. Die Priorität der gemeinsamen Arbeit sei von Beginn an gewesen, dass jeder möglichst viele Pöstchen in den eigenen Reihen verteilen kann: Ob der Stadtverordnetenvorsteher oder im Magistrat – scheinbar reibungslos habe man sich auf Personalien einigen können. „Damit die Grünen als Steigbügelhalter der früheren großen Koalition nicht zu kurz kommen, wurde für Stadtrat Jung sogar die neue Bezeichnung „zweiter Stadtrat“ eingeführt, von der die Bürger bis heute nicht genau wissen, wofür diese eigentlich gut ist. Auch in diversen Gremien wie der Regionalversammlung wurde dem grünen „Postendurst“ genüge getan“, so Löhr, Libertus und Gonter.
Butzbach dümple seit der Wahl mit einer Stadtregierung, die jegliche Initiative vermissen lasse, vor sich hin. Die Tagesordnungen von Ausschüssen und Stadtverordnetenversammlung wiesen lediglich Dinge auf, die offensichtlich kein Konfliktpotential für SPD, CDU und Grüne beinhalteten und keinen Aufschub duldeten: Grundstücksverkäufe, Jahresabschlüsse – es mache geradezu den Anschein, als gäbe es für die Politik in Butzbach nichts mehr zu tun.
Die Krönung stellt für die Liberalen jedoch die Tagesordnung für die Haupt- und Finanzausschusssitzung in dieser Woche dar: „Offenbar ist die Kreativität der Kooperation hinsichtlich der Postenverteilung noch immer nicht erschöpft, denn nun soll jeder Ausschuss noch einen zweiten Ausschussvorsitzenden bekommen. Damit werden vier weitere Ämter geschaffen, mit denen man die eigenen Leute bei Laune halten will“, monieren die FDP-Vertreter. Das Argument, dass in der Vergangenheit oftmals Ausschussvorsitz und Stellvertreter bei Sitzungen verhindert gewesen seien und somit keine Sitzungsleitung zur Verfügung gestanden habe, lassen die Liberalen nicht gelten. „Vielleicht sollte die Auswahl der Ausschussvorsitzenden in den eigenen Reihen sorgfältiger ausfallen, wenn es den gewählten Vorsitzenden so häufig nicht möglich ist, ihre Sitzung zu leiten. Schließlich sind die Termine lange im Voraus bekannt und jeder Ausschussvorsitzende hat bereits einen von der Kooperation gewählten Stellvertreter.“
Offensichtlich scheuten SPD, CDU und Grüne keine Mühen, immer weitere Posten zu schaffen. Wie sonst ist die jüngste Entscheidung zu verstehen, die Aufsichtsräte mancher städtischer Gesellschaften zu vergrößern? Natürlich geschehe dies ausschließlich aus machtpolitischem Kalkül, weil dadurch Mehrheiten gesichert würden, die faktisch nicht mehr existierten. Eine Qualitätserhöhung werde mit dieser Maßnahme sicherlich nicht einhergehen. Vielmehr könnten die drei Parteien nicht akzeptieren, dass ein schlechtes Wahlergebnis auch dazu führe, dass weniger Posten zu besetzen seien. Insbesondere im Aufsichtsrat der EVB, der mit über die Windkraft zu entscheiden habe, komme dies einer Missachtung des Wählerwillens gleich. „Die Butzbacher Bevölkerung sollte sehr aufmerksam beobachten, wie viele Posten noch geschaffen werden, bis sich die Wahlverlierer endlich auf eine inhaltliche Linie verständigt haben und die eigentliche Regierungsarbeit endlich beginnen kann“, raten die FDP-Vertreter.